«REACH» – aktuelle Herausforderungen
26.03.2024
Auch in der Schweiz stellt REACH für viele Unternehmen eine enorme Herausforderung dar. Insbesondere die Informationsweitergabe innerhalb der Lieferkette wird von vielen als zeitaufwändig und kompliziert empfunden. Verhängt die Politik Zulassungs- und Verwendungsbeschränkungen für chemische Stoffe, sind Hersteller der betroffenen Produkte gezwungen, ihre Produktionsprozesse umzustellen. Dies kann im schlimmsten Fall wirtschaftliche Existenzen bedrohen.
Das Stichwort «REACH» bezieht sich auf die REACH-Verordnung der EU
Die Abkürzung steht für Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals und ist ein zentrales Element des EU-Chemikalienrechts. Im Sinne der Eigenverantwortung muss, wer unter REACH einen Stoff in Verkehr bringt, gegenüber der Europäischen Chemikalienagentur ECHA darlegen, wie dieser Stoff sicher verwendet werden kann. Alle Stoffe, die in den Verkehr gebracht werden, sind hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit eingestuft, bewertet und geprüft. Dies garantiert ein hohes Mass an Sicherheit beim Umgang mit chemischen Produkten. Dazu kommt die Informationspflicht der Inverkehrbringer gegenüber den nachgeschalteten Anwendern (Händler, Industrie und Gewerbe, Verbraucher) bezüglich der gefährlichen Stoffeigenschaften und Risiken für Mensch und Umwelt.
Die Kandidatenliste der besonders besorgniserregenden Stoffe
Das Wissen über die Gefahren, die von bestimmten Chemikalien ausgehen können, wächst kontinuierlich. Um den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher weiter zu erhöhen, werden Stoffe, die im Verdacht stehen, besonders besorgniserregend für Mensch und/oder Umwelt zu sein, in die „Kandidatenliste“ aufgenommen. Die Stoffe der Kandidatenliste werden in Anlehnung an die englische Bezeichnung „Substances of very high concern“ auch in der Schweiz häufig als „SVHC“ bezeichnet. Alle Stoffe, die in der EU als SVHC gekennzeichnet sind, werden anschliessend in der Schweiz beurteilt. Sie werden im Rahmen des autonomen Nachvollzugs in der Regel mit einer zeitlichen Verzögerung gegenüber dem EU-Recht in den Anhang 3 der Chemikalienverordnung (ChemV) aufgenommen. Im Oktober 2023 waren 233 Stoffe und Stoffgruppen im Anhang 3 gelistet.
Informationspflicht in der Lieferkette
Es ist wichtig zu verstehen, dass ab dem Zeitpunkt der Aufnahme eines SVHC in den Anhang 3 der ChemV eine Informationspflicht besteht. Wer Erzeugnisse mit mehr als 0.1 Gewichtsprozent abgibt, muss dies in der Lieferkette kommunizieren. Durch unnötige und unklare Anfragen nach Informationsweitergabe kann den Inverkehrbringerinnen ein deutlicher Aufwand entstehen. Es gibt ein hilfreiches Faktenblatt des BAG, dem Betroffene die Details zur Informationspflicht entnehmen können.
Was ändert sich mit Verhängung der Zulassungspflicht?
Kommt die ECHA im Laufe des Überprüfungsverfahrens zum Ergebnis, dass tatsächlich ein sehr hohes Risiko besteht, werden Stoffe und Stoffgruppen von der Kandidatenliste in die Liste der zulassungspflichtigen Stoffe (REACH Anhang XIV) überführt. Dort befinden sich derzeit 59 zulassungspflichtige Stoffe oder Stoffgruppen. Da die ECHA aktuell weitere Stoffe prüft, kann sich diese Zahl noch deutlich erhöhen. Die zulassungspflichtigen Stoffe finden sich im nationalen Chemikalienrecht im Anhang 1.17 der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV).
Wichtig ist: Eine erteilte Zulassung bezieht sich nicht auf den chemischen Stoff, sondern auf einen Prozess oder ein Verfahren, in dem dieser Stoff verwendet wird.
Gefährliche Chemikalien mit «Ablaufdatum»
Mit der Zulassungsbeschränkung erhält somit jeder gelistete Stoff ein Ablaufdatum, nach dem er nur noch in Verkehr gebracht werden darf, wenn eine Zulassung für die spezifische Verwendung erteilt wurde. Produzierende Unternehmen sind ab diesem Zeitpunkt mit einer „Deadline“ konfrontiert und sind gezwungen Alternativen zu finden.
Die Europäische Chemikalienagentur ertrinkt in Zulassungsanträgen
Was aus Sicht des Gesetzgebers notwendig erscheint, um den Umgang mit Chemikalien sicherer zu machen, erscheint Betroffenen als voreilige Entscheidung. Denn selbst wenn tatsächlich auf einen Stoff verzichtet werden kann, kostet die Umstellung der Produktion Zeit und Geld. Um wie gehabt weiterarbeiten zu können, sind Zulassungen erforderlich. Der einzige Weg führt über Zulassungsanträge bei der ECHA, die allerdings ausschliesslich von Unternehmen in EU-Ländern gestellt werden können. Für die 59 Stoffe und Stoffgruppen des Anhangs XIV ist eine Flut von mehr als 500 Zulassungsanträgen bei der ECHA eingegangen, was die Behörde an ihre Grenzen bringt.
Beispiel sechswertiges Chrom
Im Fall des sechswertigen Chroms musste eine erteilte Zulassung wegen eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs im April 2023 wieder zurückgenommen werden. Für die betroffenen Industrien bedeutet dies, dass sie ab Inkrafttreten des Urteils noch ein Jahr mit Chromtrioxid arbeiten können, danach wird erneut über die Zulassung entschieden. Aus dieser Situation der fehlenden Rechtssicherheit heraus wurden von den betroffenen Industrien zahlreiche neue Zulassungsgesuche eingereicht, obwohl dies mit grossem Aufwand und hohen Kosten (> 100’000 €/ Gesuch) verbunden war.
Was bedeutet das für Schweizer Firmen?
Schweizer Firmen (ohne Standort in der EU) können bei der ECHA keine Zulassungsgesuche einreichen. Der Bundesrat hat deshalb beschlossen, die in der EU erteilten Zulassungen in das nationale Chemikalienrecht zu übernehmen. Schweizer Firmen, die einen zulassungspflichtigen Stoff verwenden, müssen der Anmeldestelle Chemikalien des Bundes melden, auf welche EU-Zulassung sie sich bei der Verwendung beziehen. Auch Ausnahmegesuche für die Schweiz für Stoffe im Anhang 1.17 der ChemRRV können bei der Chemikalienmeldestelle elektronisch eingereicht werden. Für die in der EU für bestimmte Verwendungen zugelassenen Stoffe ist also keine Ausnahmebewilligung für die Schweiz notwendig. Gibt es bei der ECHA noch hängige Anträge zu bestimmten Verwendungen eines Stoffs, so muss ebenfalls kein Ausnahmegesuch gestellt werden.
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Barbara Morasch